News von Norderney
Tourismus
25.04.2010Fischerhaus und Hotelboom
Auf Norderney gibt es wenige Ecken, in denen man die alte Architektur vor dem Bauboom von 1860 noch sehen kann. Die ostfriesischen Inseln waren traditionell “Herrenland”, es gab keine Möglichkeit Grundstücke zu erwerben, nur Erbpacht war möglich. Erst mit der Inbesitznahme durch Preußen 1866 wurden preußische Gesetze und Verordnungen übernommen. Jetzt erhielten die Einwohner der Insel ihre Grundstücke als Eigentum und die Niederlassungsfreiheit für Handel, Handwerk und Gewerbe wurde eingeführt. Der preußische Staat begann, auch ungenutztes Dünengelände für die Bebauung freizugeben. Dies war der Startschuß für eine bis jetzt anhaltende Expansion und einen riesigen Bauboom. 1866 gab es 214 Häuser, 1885 bereits 510 Häuser und 1910 waren es 719. Die Expansion Norderneys war ein Prestigeobjekt für den preußischen Staat. Mit der “Königlichen Seebadeanstalt” besaß Preussen ein Nordseebad, welches sich mit den anderen Modebädern der Zeit – Baden Baden, Karlsbad, Biarritz, Brighton und Schevenningen – messen konnte, diese in vielen Dingen sogar übertraf.
Die Blütezeit Norderneys endete mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges. Mitten im Sommer wurde das Bad geschlossen, die Insel evakuiert und systematisch zu einer Seefestung ausgebaut. Die gesellschaftliche und politische Bedeutung erlangte Norderney nie wieder, die Gästegruppen und Anforderungen an ein Nordseebad haben sich nach dem II. Weltkrieg stark geändert. Nur der Bauboom hält an.
Sekino sagt:
Hallo,
mein Vater wurde im Jahr 1913 auf Norderney geboren, ich habe ihn gestern gefragt, ob die Insel im 1. Weltkrieg evakuiert wurde (ich hatte dies ja schon einmal hier im Blog gelesen). Mein vater berichtete mir, dass das “Blödsinn sei”. Die Insel wurde niemals evakuiert. Es wurden zwar keine neuen Kurgäste mehr aufgenommen, die Inselbewohner mussten nach seiner Ansicht die Insel jedoch nicht verlassen…..
Hans Vollmer sagt:
Ich empfehle den Tatsachenbericht von Siever Johann Meyer, Norderney im Weltkriege, veröffentlicht in: Die Nordseeinseln von Albrecht Janssen, Brandstetter Verlag Leipzig 1928, in dem ausführlich die Situation um den Kriegsausbruch im Juli 1914 dargestellt wird. Das Bad wurde am 10.8.1914 offiziell geschlossen. Der darauf folgende Ausbau zur Seefestung mit Flughafen etc. ist gut im Gemeindearchiv nachzulesen (Fliegerhallen 1915) Norderney durfte während der Anfangsphase des Krieges nur mit Passierschein betreten werden, die Dünen und der Strand waren militärisches Sperrgebiet. Evakuiert wurde die Insel von den Gästen und dem Saisonpersonal – die Insulaner durften bleiben, waren aber ihrer Lebensgrundlage beraubt, weshalb mehrere Eingaben um Finanzhilfe gemacht wurden.
Sekino sagt:
Vielen Dank für den Tipp. Ich habe das Buche heute antiquarisch in der Erstauflage von 1925 über ZVAB.com bestellt.
Im übrigen widersprechen sich ja beide Aussagen nicht. Die Insulaner blieben, Kurgäste (und auch Saisonkräfte) mussten die Insel verlassen.